Sonntag, 20. September 2009

Lehrrede auf dem Berg II

Der Sanftmütige ist erbberechtigt


Wer ist arm im Geiste? Einer meiner Schullehrer pflegte, wenn die Klasse wieder einmal keine Antwort auf seine Fragen wusste, zu sagen: „Ja, selig sind die geistig Armen!“ Aber selig sind eben nicht die Dummen oder die, die zum Lernen zu faul sind. Geistig arm sind Menschen, die fähig sind, sich unterzuordnen, die, auch wenn sie reich sind, fähig sind, die „verletzliche Haltung armer Menschen“ zu zeigen.
Was sagt das
Pirke Avot, was sagen die Worte der Väter, darüber, welcher Mensch fähig ist, die Thora zu lernen? Der Sanftmütige, stimmt’s?
Und die Sanftmütigen werden das Land besitzen, wie schon Psalm 37, 11 verspricht: „Aber die Sanftmütigen werden das Land ererben und sich großen Friedens freuen.“ Wie kann jemand sanftmütig werden, damit er Erbe wird? Kann man Sanftmut trainieren? Bis zu einer gewissen Grenze schon. Es ist sehr wohl möglich, seine Gedanken und seine Handlungen zu beherrschen, wie wir zum Beispiel von den Mystikern lernen können. Und Paulus sagt uns auch: „Die leibliche Übung ist zu wenig nütze, die geistliche Übung (das geistliche Training) aber ist zu allem nütze“ und: „Ich bezwinge meinen Leib.“ Wir haben allerdings einen guten Lehrer für derlei Übungen; und für uns muss das Training nicht einmal besonders anstrengend sein, denn „Sanftmut ist eine Frucht des Geistes“.
Wie ist das im Ersten Testament? Wer ist bevorzugt, der Sanftmütig oder der her der Fanatiker? Nehmen wir den Nachfolger für Mose. Josua wurde nach Mose der Führer Israels. Warum nicht Pinchas? Der war entschieden, der griff durch! In 4. Mose 25,7 sehen wir das und in 31, 6: Pinchas war ein Mann, der voran ging. Und Gott hat ihn nicht unbelohnt gelassen: Er wurde Priester, obwohl sein Vater Eliasar zur Zeit der Geburt des Pinchas noch kein Priester gewesen war. Er bekam die erbliche Priesterschaft als Lohn für seinen Einsatz. Aber er wurde nicht der Leiter Israels. Mose betet in 4. Mose 27, 16 f: Es bestelle der Ewige einen Mann über die Gemeinde, welcher ausziehe vor ihnen und wieder einziehe, und der sie ausführe und der sie einführe, dass nicht sei die Gemeinde des Ewigen wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ (Genau dies war der Befund Jesu: Zu seiner Zeit waren sie „wie Schafe, die keinen Hirten hatten“). Im Midrasch heißt es, dass Mose betete: „Herr der Welt. Du kennst die Herzen der Menschen und weißt, wie der ein sich von dem anderen unterscheidet. Bestimme über sie zum Führer, der die Fähigkeit besitzt, der verschiedenen Geistesart eines jeden Rechnung zu tragen.“ Das also sind nach der Vorstellung der Rabbinen die Anforderungen an einen Leiter. Es geht in erster Linie um Eigenschaften wie Geduld und Verständnis. Mose hat diese Eigenschaften angenommen, nachdem er vierzig Jahre im Exil gelebt hatte; zuvor war er weder sanftmütig noch geduldig. Wir alle kennen die Geschichte mit dem ägyptischen Aufseher, den Mose erschlägt. Die Wanderung durch die Wüste und der Einzug ins gelobte Land zeigen einen anderen, einen sanftmütigen Mose, einen, der für sein Volk eintritt und der für sein Volk Verzicht übt. Und dennoch: Mose schlug den Felsen mit dem Stab zweimal, obwohl der Herr ihm gesagt hatte: Redet zu dem Felsen. (4. Mose 20:8 ff); Mose war noch nicht friedfertig genug. Er durfte nicht in das verheißene Land.
Sehen wir uns David an. Für meine Begriffe nicht eben mit Sanftmut geschlagen. Gott sagt über ihn: Er ist ein Mann nach meinem Herzen. Aber den Tempel durfte er nicht bauen: es klebte zuviel Blut an seinen Händen. Die Sanftmütigen werden das Land erben.

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