Donnerstag, 31. März 2011

Jesus House

Für den deutschen Fußball-Nationalspieler Cacau ist der Glaube an Gott wichtiger als sportlicher Erfolg «Ich kämpfe für meine Ziele, aber es gibt etwas, was mehr Erfüllung gibt, und das ist Gott», sagte der Fußballer am Mittwoch beim Eröffnungsabend der christlichen Jugendveranstaltung «JesusHouse» in Stuttgart. Gott sei überall zu treffen, in der Schule oder auf dem Fußballplatz. «Gott ist nur ein Gebet von uns entfernt», erklärte Cacau.

«JesusHouse» dauert noch bis Samstagabend. Nach Angaben der Organisatoren wird die Veranstaltung der «größte Jugendgottesdienst Europas». Interessierte könnten die Veranstaltung auch per Satellit auf dem Fernsehsender ERF und im Internet-Livestream verfolgen. Die Organisatoren rechnen mit insgesamt 140.000 Teilnehmern in der Stuttgarter Porsche-Arena und an den 402 Übertragungsorten in Deutschland.

Insgesamt sind rund 6.000 Ehrenamtliche und etwa 1.400 Jugendgruppen aus evangelischen Landeskirchen, der katholischen Kirche und freien Gemeinden bei «JesusHouse» aktiv. Veranstalter der Jugendevangelisation ist das überkonfessionelle Netzwerk «ProChrist».

Die Gesamtkosten betragen rund drei Millionen Euro. Sie werden aus Spenden, Zuschüssen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg sowie von den deutschen Veranstaltern getragen. Außerhalb Deutschlands findet «JesusHouse» an etwa 100 weiteren Veranstaltungsorten in Europa wie Österreich, Polen oder Rumänien statt.

Dienstag, 29. März 2011

Kein Zeichen

Aus dem Gemeindebrief der St. Bartholomäus Gemeinde, Uettingen

Von Pfarrer Peter Laudi

Es ist beschämend: kaum hatten uns die verstörenden Bilder von weggespülten Häusern, Autos, Schiffen und – nun ja – Menschen in Japan erreicht, meldeten sich umgehend die Schamanen, die in der Katastrophe religiöse Zeichen glaubten entdecken zu müssen.
Diesmal sind es jedoch nicht nur die üblichen Extremfundamentalisten, die schon beim Tsunami 2004, beim Hurrikan Katrina oder beim Erdbeben in Haiti im letzten Jahr von einer „Strafe Gottes“ schwafelten: noch während unter den Trümmern an Japans Küste Hunderte, vielleicht Tausende an Unterkühlung und inneren Verletzungen starben, konnte man in zahllosen Wortmeldungen sinngemäß davon lesen, dass sich „die Natur“ oder „die (Mutter) Erde“ gegen den ausbeuterischen Schädling „Mensch“ gewehrt
habe. Solches zu behaupten ist nicht nur neuheidnischer Blödsinn, sondern stellt darüber hinaus noch eine grandiose Geschmacklosigkeit dar. Aus dem Leiden und Sterben Tausender Kapital für die eigene Weltanschauung zu schlagen – so etwas macht man nicht! Dem Schrecken durch einen bronzezeitlichen „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ Sinn herbei zu fabulieren – macht man nicht! Damit sind schon Hiobs Freunde gescheitert, und auch Jesus machte im Hinblick auf den eingestürzten Turm zu Siloah kurzen Prozess mit irgendwelchen Sünden-Deutungen. So wie es dem Turm wurscht war, dass er 18 Menschen erschlug, ist es tektonischen Platten wurscht, dass Millionen Menschen auf ihnen wohnen. Kommt es zu einer Katastrophe, muss jede Deutung, die „den“ Menschen mittelbar oder unmittelbar dafür verantwortlich macht, zur zynischen Unverschämtheit werden. Vom „Willen Gottes“ ist dabei ganz zu schweigen – angesichts des Grauens versagt jede Theologie. Es bleiben nur Gebet und Fürbitte.
Was für Hardcore-Biblizisten und „Mutter Gaia“-Verehrer gilt, muss aber erst recht für Politiker gelten: die Tausende Erschlagenen und Ertrunkenen mit leichter Hand zur Seite fegend, hatten sie nichts Besseres zu tun, als sich – Opposition wie Regierung – auf die kritischen Reaktoren von Fukushima zu stürzen, die bislang noch keinen getötet haben. Man mag nun von Kernkraft halten was man will, aber die offensichtliche „Freude“ von manchen Grünen und Linken über die politisch verwertbare Katastrophe kommt ebenso pervers an wie das hektische und völlig unglaubwürdige Umsteuern der Koalition: es stehen Wahlen an. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Nach Fukushima sei „alles anders“ hört man jetzt von Leuten, die noch vorgestern als die letzten Gralshüter der Kernkraft galten und heute AKWs vom Netz nehmen. Das ist in etwa so sinnvoll wie nach dem Absturz einer 40 Jahre alten Propellermaschine in einem Tornado über Oklahoma die Airbusflotte der Lufthansa in Frankfurt/Main zu parken. Die Einlassungen zeigen entweder politischen Opportunismus oder technische Ahnungslosigkeit – oder beides. Es ist kein Wunder, dass sich in der Folge Angst in
der Bevölkerung breit macht, die sich in ihrer Not mit Geigerzählern und Jodtabletten eindeckt (sparen Sie sich lieber das Geld). Dabei war bei uns die ganze Zeit über nicht so sehr das AKW das Problem, sondern das, was übrig bleibt: die Endlagerung der Brennstäbe. Von der ist allerdings nach wie vor keine Rede – politisch verantwortliches Handeln sieht anders aus. Verantwortliches Handeln. Überlegte Stellungnahmen. Rationaler Diskurs. Ideologiefreies Abwägen. Saubere Berichterstattung. Nüchterne Aufklärung. Das wär’ mal was! Stattdessen läuft die Maschinerie der Zeichendeutung auf Hochtouren. Die Gelegenheit war einfach zu günstig. Selbst Kirchenleute beginnen schon zu hyperventilieren und nehmen das Leid der Japaner zum Anlass, technologiefeindliche Menetekel zu malen. Ich persönlich halte mich lieber an die erste These der Barmer Erklärung aus dem kirchlichen Widerstand im Dritten Reich:
„Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer
Verkündigung außer und neben diesem einem Worte Gottes [d.h. Jesus Christus, Anm.
d. Verf.] auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als
Gottes Offenbarung anerkennen.“
Es gibt kein Zeichen. Gott spricht zu uns nicht in Beben, Tsunami und Kernschmelze. Für diese Dinge hat er uns Herz, Hand und Verstand gegeben. Aber er spricht zu uns durch Jesus Christus, der gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“
Höchste Zeit, sich daran zu erinnern.

Freitag, 11. März 2011

Nicht schuld an der Kreuzigung

Von Dina Porat

In seinem neuen Buch schreibt Papst Benedikt XVI, man solle die Juden, die zur Zeit des Zweiten Tempels lebten, und auch die Generationen, die danach kamen, nicht der Verantwortung für die Kreuzigung Jesu für schuldig erklären. Nur eine Gruppe innerhalb der Elite der Tempelpriester habe auf seinen Tod hingewirkt. Der erste Teil der Jesus-Biographe aus der Feder des Papstes, der von seiner Geburt und Kindheit handelt, erschien 2007. Nun wurde der zweite Teil veröffentlicht, der von seinen reifen Jahren und seinem Tod handelt.

Benedikt XVI ist Professor für Theologie und gilt als höchste Autorität auf seinem Gebiet. Er gilt als Vertrauter und treuer Nachfolger des vorherigen Papstes, Johannes Paul II, der in vielen Fragen eine konservative Linie vertreten und gelichzeitig viel für die Annäherung zwischen Juden und Christen getan hat.

Seine Feststellung, die Juden seien nicht schuld an der Kreuzigung, ist eine mutige Feststellung von weit reichender Bedeutung. Freilich wurde dies schon von den Teilnehmern des Zweiten Vatikanischen Konzils, das von 1962 bis 1965 stattfand, ausgesprochen, was damals einer regelrechten theologischen Revolution gleichkam: Die Schuld an der Kreuzigung Jesu – eine brutale Strafe, die die Römer aus Furcht vor Rebellion noch Tausenden von Juden zuteil werden ließen -, war über 2000 Jahre hinweg so etwas wie ein Axiom, an dem nicht zu rütteln war, und die Schuldzuweisung brachte dem jüdischen Volk Verfolgung und Leid. Das Konzil konstatierte auch – in einer kurzen Erklärung namens Nostra Aetate (unsere Zeit) -, dass dem jüdischen Volk die Auserwähltheit nicht genommen worden sei, und verurteilte den Antisemitismus in jeder Hinsicht.

Nach dem Konzil hat sich der Vatikan um die Verbreitung seiner Beschlüsse bemüht, aber eine solche Revolution geht langsam vonstatten, und es erfordert jahrelange Anstrengung, bis sie wirklich akzeptiert wird. Nun, 45 Jahre später, hat der Papst der jungen Generation erneut die Unschuldsbestätigung übermittelt, auf Grundlage einer theologischen und textuellen Analyse, wofür er Experte ist.

Er analysiert die Evangelien – jene vier Bücher des neuen Testaments, die die Geschichte von Geburt, Leben und Tod Jeus erzählen -, die die Quelle der Beschuldigung waren. Die in diesem Zusammenhang zentralen Worte – „Kreuzige ihn! Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ – sind von gläubigen Christen über Jahrhunderte hinweg immer wieder gelesen und gehört worden; sie waren untrennbarer Teil des mittelalterlichen Volkstheaters und wundervoller Musik, die von den größten Komponisten komponierten Passionen ließen sie in die Herzen eindringen. Obgleich klar ist, dass die Evangelien einige Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben wurden und nicht annähernd als historische Quelle dienen können, sondern vielmehr vom Kampf des frühen Christentums gegen das Judentum, dem es entsprang, herrührte, erfordert es Stärke, gegen den verwurzelten Glauben auszuziehen.

Die Worte des Papstes drehen ein weiteres Rad zurück: Am Vorabend seines Israel-Besuchs im Mai 2009 überschatteten dringliche Fragen die Reisevorbereitungen. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstand seit Beginn der siebziger Jahre eine Widerstandsbewegung gegen dessen Beschlüsse, und verschiedene Gruppierungen darunter akzeptieren noch immer nicht die Wegnahme der Schuld von den Juden. Zum Teil veröffentlichen sie antisemitische Schriften, wobei auch der Holocaust geleugnet wird. Die Mitglieder der Bewegung verließen die Kirche, und der gegenwärtige Papst bat die verlorenen Söhne, in ihren Schoß zurückzukehren, offensichtlich bevor er prüfte, was in ihren Schriften stand. Ein großer Sturm brach aus, und Benedikt XVI stellte eine Bedingung für ihre Rückkehr: dass sie sich von der Holocaust-Leugnung distanzierten.

Der englische Bischof Richard Williamson, eine zentrale Figur innerhalb der Gruppe, weigert sich, seine Behauptung zurückzunehmen, wonach man nie Beweise gefunden habe, dass der Holocaust stattfand. Zudem sind ein Teil der Widerständler Mitglieder der nach Pius X. benannten Vereinigung – jenes Papstes, der 1904 Theodor Herzl die Anerkennung der zionistischen Bewegung und ihrer Bestrebungen verweigert hatte, mit der Begründung, die Juden hätten Jesus nicht als Messias anerkannt, und wegen der Sorge, die heiligen Stätten des Christentums würden in die Hände der Juden geraten. Die Worte des gegenwärtigen Papstes in seinem Buch, die die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils fortsetzen und bekräftigen, stellen auch eine Art von Angriff auf die Gruppierungen dar, die die Beschlüsse in ihren drei Komponenten nicht akzeptieren.

Die entscheidende Frage ist nun, ob die vom Papst auf Grundlage gründlicher Forschungen zu Leben und Tod Jesu verfasste Biographie eine Basis für die zukünftige praktische Politik des Vatikans darstellen kann: für das Vorgehen gegen Antisemitismus, Antizionismus und Holocaust-Leugnung sowie die Annullierung von Vorurteilen und Anschuldigungen, deren Zeit schon längst vorüber ist.

Dina Porat ist Professorin für jüdische Geschichte an der Universität Tel Aviv und leitet das dortige Stephen Roth Institute for the Study of Contemporary Antisemitism and Racism.

(Haaretz, 11.03.11)