Samstag, 27. Februar 2010

Mystiker-Zitat der Woche

Der beharrliche Gebetsruf: "Jesus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner" gestattet nicht, dass auch die kleinste böse Einflüsterung den Spiegel unserer Seele anhaucht und das Gemüt anspricht. Er reinigt unseren Seelenhimmel von den dunklen Wolken der bösen Geister. Hell und klar erstrahlt er vom Lichte Jesu. Nur darf der Stolz den Gotteskämpfer nicht aufblasen noch Eitelkeit oder Eigendünkel ihn beherrschen.

Hesychius vom Batoskloster

Donnerstag, 25. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XXIV

Fortsetzung "arm im Geiste"

Es reicht allerdings nicht, keinen Willen zu haben. Es kommt hinzu, dass ein Mensch, der arm im Geiste ist, auch nichts weiß. Also doch! Trottel nach vorn!
Ich hatte es ja immer befürchtet.
Was schreibt Eckehart: „Der Mensch, der diese Armut haben soll, der muss so leben, dass er nicht (einmal) weiß, dass weder sich selbst noch der Wahrheit noch Gott lebe ... er lasse Gott wirken war er wolle, und der Mensch stehe ledig. Alles, was je aus Gott kam, das ist gestellt auf ein lauteres Wirken. Das dem Menschen zubestimmte Wirken aber ist: Lieben und Erkennen. Nun ist es eine Streitfrage, worin die Seligkeit vorzüglich liege. Etliche Meister haben gesagt, sie liege in der Liebe, andere sagen, sie liege in der Erkenntnis und in der Liebe, und die treffen’s (schon) besser. Wir aber sagen, dass sie weder in der Erkenntnis noch in der Liebe liege; es gibt vielmehr ein Etwas in der Seele, aus dem Erkenntnis und Liebe ausfließen; es selbst erkennt und liebt nicht, wie’s die Kräfte der Seele tun. Wer dieses (Etwas) kennen lernt, der erkennt, worin die Seligkeit liegt. Es hat weder Vor noch Nach, und es wartet auf nichts Hinzukommendes, denn es kann weder gewinnen noch verlieren. Deshalb ist es auch des Wissens darum, dass Gott in ihm wirke, beraubt; es ist vielmehr selbst dasselbe, das sich selbst genießt in der Weise, wie Gott es tut.“ Ah ha, sagen wir und sind verwirrt. Aber nur für einen Moment. Denn die Tatsache, dass wir nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurden, müssen wir nicht mehr herausarbeiten und dass wir demzufolge Gott nacheifern sollen und uns „vergöttlichen“ lassen müssen, ist auch klar. Also gut, Gott ist ewig. Er hat weder Vor noch Nach, er hat vielmehr überhaupt keine Zeit, sondern steht außerhalb der Zeit. Gott ist unendlich, also wartet er auf nichts Hinzukommendes, deshalb kann er weder gewinnen noch verlieren. Zur Unendlichkeit kann man nichts hinzutun oder davon wegnehmen, denn unendlich ist eben unendlich. Und wenn wir uns vergöttlichen lassen, dann geschieht dies auch mit uns. „So quitt und ledig also, sage ich, soll der Mensch stehen, dass er nicht wisse noch erkenne, dass Gott in ihm wirke, und so kann der Mensch Armut besitzen. Die Meister sagen, Gott sei ein Sein und ein vernünftiges Sein und erkenne alle Dinge. Ich aber sage: Gott ist weder Sein noch vernünftiges Sein noch erkennt er dies oder das. Darum ist Gott ledig aller Dinge – und eben darum ist er alle Dinge. Wer nun arm im Geiste sein soll, der muss arm sein an allem eigenen Wissen, so dass er von nichts wisse, weder von Gott noch von Kreatur noch von sich selbst. Darum ist es nötig, dass der Mensch danach begehre, von den Werken Gottes nichts zu wissen noch zu erkennen. In dieser Weise vermag der Mensch arm zu sein an eigenem Wissen.“
Damit nicht genug. Zudem ist der Mensch arm, der nichts hat.
Damit ist bei Eckehart nicht gemeint, dass jemand keine materiellen Dinge besitzt, was dann in Ordnung ist, wenn er freiwillig verzichtet, der also vorsätzlich arm ist.
Laßt uns noch mal zusammenfassen: Ein armer Mensch ist der, der so lebt, dass er keinen eigenen Willen hat, so wie er keinen Willen hatte, als er noch nicht geschaffen war. Des weiteren ist ein armer Mensch im Sinne der Bergpredigt einer, der selbst vom Wirken Gottes in sich nichts weiß.
Nun soll er auch nichts mehr haben.

Montag, 22. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XXIII

Ponticus Evagirus beschreibt Kontemplation so: Das Ziel der Kontemplation ist die Schau der Hl. Dreieinigkeit. Diese Schau ist aber jenseits aller Form, sie ist vollkommen einfach. Sie verlangt, dass der Mensch ganz und gar frei wird von allem begrifflichen Denken und von seinen Leidenschaften. Es muß ein Zustand erreicht werden, in dem die Leidenschaften uns nicht mehr beherrschen, sondern mit einander im Einklang sind. Der menschliche Geist wird ganz rein und lauter, offen für Gott und zugleich einfach und gesund. Ziel ist die Einheit mit Gott, das eigentliche Ziel jedes Menschen. Evagrius spricht von der Einheit, um damit auszudrücken, dass ein solcher Mensch in liebender Vereinigung zur vollkommenen Erkenntnis der Hl. Dreifaltigkeit gekommen ist. Das Licht Gottes beginnt in der Seele zu leuchten: „Wenn ein Mensch den alten Menschen abgelegt und den neuen Menschen angezogen hat, der eine Schöpfung der Liebe ist, dann wird er zur Stunde des Gebetes erkennen, wie sein Zustand einem Saphir gleicht, der klar und hell leuchtet“, der Mensch findet seinen Frieden und indem er mit Gott eins wird, wird er auch eins mit seinem wahren Wesen, die Seele wird gesund. (Was hast du dir vorgestellt, wie dieser Friede aussieht, der alle Vernunft übersteigt und den die Welt nicht geben kann?)
Nach Ponticus meint Kontemplation, das wir alle Gedanken und Bilder, alle Vorstellungen und Gefühle, hinter uns lassen und jenseits des Denkens und Fühlens eins werden mit Gott. man vergisst sich selbst und zugleich ist man sich selbst höchst bewusst. Man denkt über das Einswerden nicht mehr nach, die Gedanken hören auf, ich bin einfach da, ich bin in Gott, ich bin ganz im Augenblick, ich übersteige die Zeit, ich berühre die Ewigkeit. Auf einmal wird alles klar. Ich spüre: Es ist alles gut. Alles hat seinen Sinn. Ich bin einverstanden mit Gott, mit meinem Leben, mit allem. Alles Kämpfen hört auf, die Gedanken, die sich gegenseitig anklagen und
entschuldigen (Röm 2, 15) sind still. Ein Zustand, in dem ich einfach nur da bin, und ahnen kann was das Geheimnis Gottes ist, der von sich nur sagt: „Ich bin, der ich bin“. Reines Sein. Alles ist gut, alles ist von Gott durchdrungen. Gott IST.
Das deckt sich mit dem, was Eckehart sagt: „Ehe die Kreaturen waren, war Gott (noch) nicht „Gott“: er war vielmehr, was er war.“ Das kommt uns vielleicht im ersten Moment seltsam vor, aber denkt daran, wie Gott sich dem Mose vorstellt: „Ich bin der ich bin“. Und dann, im Laufe der Geschichte offenbart er seinem Volk, wer er für sie ist: Gott, der vorhersieht, Gott, dein Arzt, Gott Imanuel etc.
In der Kontemplation wird der Mensch „arm im Geiste“, er wird wie Gott: reines Sein.

Samstag, 20. Februar 2010

Mystiker-Zitat der Woche

Die Liebe, die aus manchen Werken entsteht, ist wie ein kleines Lämplein, das durch Öl gespeist wird und so seine Flamme brennend erhält. Sie gleicht auch einem Bach, in dem sich der herabrauschende Regen sammelt, dessen Fluten aber versiegen, wenn das Wasser nicht mehr da ist, das sie hervorbringt. Die Liebe aber, die Gott zum Urheber hat,ist wie ein Springquell, dessen Fluten niemals versiegen; Er allein ist der Quell der Liebe und sein Element, das nie zur Neige geht.

Isaak von Ninive

Donnerstag, 18. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XXII

Und noch einmal das „arm sein im Geiste“

Wir müssen also noch einmal zur geistigen Armut zurück und wollen Meister Eckehart selbst zu Wort kommen lassen:
„Zum ersten sagen wir, dass ein armer Mensch sei, der nichts will.“
Hierbei geht es nicht um Menschen, die äußerliche Werke der Buße und Selbstverleugnung erbringen. Solche Menschen nennt Eckehart schlicht „Esel“. Sie sagen zwar, ein armer Mensch sei einer, der nichts wolle. Aber es wird von ihnen falsch aufgefaßt, nämlich so: „dass der Mensch so leben müsse, dass er seinen (eigenen) Willen nimmermehr in irgend etwas erfülle, dass er (vielmehr) danach trachten solle, den allerliebsten Willen Gottes zu erfüllen.“
Eckehart sagt zwar, dass dies schon ganz gut sei, aber bei weitem nicht ausreiche. Menschen die so denken, mögen wegen ihrer guten Absicht das Himmelreich erlangen, aber von der eigentlichen Armut, die Jesus anspricht, wissen sie nichts. Diese Armut geht sehr viel weiter: „Solange der Mensch dies noch an sich hat, dass es sein Wille ist, den allerliebsten Willen Gottes erfüllen
zu wollen, so hat ein solcher Mensch nicht die Armut, von der wir sprechen wollen; denn dieser Mensch hat (noch) einen Willen, mit dem er dem Willen Gottes genügen will, und das ist nicht rechte Armut. Denn, soll der Mensch wahrhaft Armut haben, so muss er seines geschaffenen Willens so ledig sein, wie er’s war, als er (noch) nicht war. Denn ich sage euch bei der ewigen Wahrheit: Solange ihr den Willen habt, den Willen Gottes zu erfüllen, und Verlangen habt nach der Ewigkeit und nach Gott, solange seit ihr nicht richtig arm. Denn nur das ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts begehrt.“
Hier ist ein Zustand angesprochen, den die Mystiker als „Kontemplation“ bezeichnen. In der Definition aus dem Vorwort zu „Die Liebesflamme“ von Johannes vom Kreuz:
Kontemplation ist weniger eine bestimmte Gebetsweise oder Gebetsstufe als vielmehr die Selbstmitteilung Gottes, die dem im geistlichen Leben Fortgeschrittenen ohne sein eigenes Zutun auf immer umfassendere und unmittelbarere Weise zuteil wird, weshalb J.v.K. rät, von sich aus keine Leistungen vollbringen zu wollen, sondern still zu werden und die liebende Einsicht, die Gott schenkt, in völliger Untätigkeit und ‘liebender Achtsamkeit’ auf Gott aufzunehmen. In der Kontemplation werden dem Menschen keine Einzelansichten zuteil, vielmehr werden im in einer gesamtheitlichen liebenden Einsicht das Licht und die Liebe Gottes eingegossen, wodurch er nach und nach geläutert und immer tiefer mit Gott geeint wird. Anfangs erfährt der noch ungeläuterte Mensch die Kontemplation als dunkel und verwirrend, später erlebt er sie als ein umfassenden Erkennen und Lieben zugleich, das sich nicht in einschränkenden Bestimmungen fassen läßt.

Es geht um eine Liebesbeziehung; Menschen die so eine Beziehung zu Gott haben, nennt man Mystiker.
Ist das „biblisch“? lesen Sie dazu folgende Texte: Joh. 6,56; Joh. 15,4; 1. Joh 4,16

Dienstag, 16. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XXI

Wo bitte geht’s zur Gottesnähe?

Laßt uns den Weg betrachten, den einer der großen Mystiker des Christentums,
Meister Eckhart, vorschlägt und den er auch selber eingeschlagen hat.
Eckhart von Hochheim ist um 1260 geboren. Er war Dominikaner und als solcher zeitweise Leiter der Ordensprovinz Sachsen, die ein Gebiet von den Niederlanden bis Livland umfaßte. Er war Generalvikar von Böhmen, Leiter der ordenseigenen Hochschule in Straßburg und Lehrer an der Universität Köln. Zwischendurch hatte er Lehraufträge in Paris und Prior seines Heimatklosters. Er starb 1302.
Er war also ein Mann, der mitten im Leben stand, wie man so sagt. Zudem hatte er ständig Ärger mit der Kirche und wurde nur deshalb nicht ernstlich verfolgt, weil er den Schutz und die Unterstützung seines Ordens hatte. Er war eine Kämpfernatur, kein weltabgewandter Asket, kein „seltsamer Heiliger“, aber seltsam war er dennoch und was er lehrt, beinhaltet genügend Zumutungen, um auch bei uns Beachtung zu finden.
Der Weg, den er vorschlägt, als den schmalen Weg zu beschreiten ist ein gänzlich anderer als der Weg Barclays.
Da Eckhart Mystiker war, ist es nicht verwunderlich, dass sein Weg ein mystischer Weg ist. Wie aber beschreitet man einen mystischen Weg?

Der Weg des Meisters Eckhart ist der Weg der Absage an die gesamte wahnhafte Wirklichkeit, wodurch der Mensch zur „Abgeschiedenheit“ gelangt. Ein seltsamer Weg für einen Menschen, der sein Leben in höchsten Ämtern und in ganz alltäglichen Auseinandersetzungen verbracht hat. Aber wenn wir uns an die ausgefüllten Leben von Teresa, Johannes und Bernhard erinnern, so wissen wir: Ein tätiges, erfülltes und sogar ein erfolgreiches Leben stehen nicht im Gegensatz zu mystischer Erfahrung.

Der Mensch, der den Weg der Abgeschiedenheit, den Weg des Abschiednehmens beschreitet, der soll sich nicht mehr um äußerliche Dinge kümmern und er soll sich auch nicht von äußerlichen Dingen bekümmern lassen. Das kommt uns bekannt vor. Sagt Jesus das nicht so ähnlich in Mt. 6, 19 f: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt“? Dieses „Abschiednehmen“ ist eine praktische Sache und eine Aufgabe für jeden Menschen. Auch und gerade der Mensch, der mitten in der Welt lebt, muss sich davon frei machen, den Dingen zu verfallen und sein Herz an Äußerlichkeiten und Umstände zu hängen. Noch einmal zur Erinnerung: Mit Eckehart von Hochheim, Bernhard von Clairveaux, mit Teresa von Avila und Johannes von Kreuz sprechen Menschen für dieses „Abschiednehmen“, die in großem Umfang ihrer Zeit großen Einfluss hatten und ihrer Zeit ihren Stempel aufgedrückt haben. Es geht nicht um eine Flucht aus der Welt, sondern gerade darum, in ihr bestehen zu können und mehr als nur zu bestehen: Die Welt zu überwinden. Die Umstände zu besiegen, nicht (nur) indem man die Umstände ändert, sondern dadurch, dass man von ihnen nicht mehr irritiert wird, ohne sie einfach zu leugnen. „Wer diese Freiheit von der Welt erreicht, der gewinnt reine Innerlichkeit.“
Es ist keine Lösung, Probleme zu ignorieren oder wegzuschieben, wie der Sänger singt: „Will sie vor Wut auch die Möbel zertrümmern: Gar nich‘ um kümmern, gar nich‘ um kümmern!“ Es geht darum, auf die Probleme angemessen und gelassen zu reagieren, indem man nicht an ihnen haftet.

Damit ist der Weg aber noch nicht zu Ende. Was jetzt folgt ist die Abgeschiedenheit von sich selbst. Jetzt geht es um die Selbstaufgabe, jetzt geht es darum, „arm im Geiste“ zu werden. Der Mensch muss sich selber lassen „und darin „ganz gelassen“ werden.“

Samstag, 13. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XX

Immer wieder müssen wir im Verlauf unseres Lebens Entscheidungen treffen: „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse ... darum erwähle das Leben, damit du am Leben bleibst, du und deine Nachkommen.“ (5.Mose, 30, 15-20). „So wählt heute, wem ihr dienen wollt“ (Jos. 24,15). „So spricht der Herr: Siehe, ich lege euch vor den Weg zum Leben und den Weg zum Tode“ (Jer. 21,8). Sogar im NT: „Geht ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind ihrer, die ihn finden.“ (7, 13 f).
Eine Anweisung zum Wandern. Eine Einladung zu einem Spaziergang durch ein gelungenes Leben.

Ein Weg ist eng, ein Weg ist breit. Barclay merkt dazu an: „Der eine Weg ist bequem, der andere beschwerlich“. Ohne Fleiß keinen Preis. „Ich habe den guten Kampf gekämpft“ und gewonnen, sagt Paulus; und nicht einmal das sichert dir den Sieg, sondern du mußt auch noch nach den Regeln kämpfen, sonst wirst du disqualifiziert. Das Gehen auf dem engen Weg bedeutet harte Arbeit. Paulus sagt über sich, er habe mehr gearbeitet als alle anderen.

„Der eine Weg ist lang, der andere kurz.“ Wählen wir den kurzen Weg des schnellen Erfolgs oder gehen wir lieber einen langen Weg, der erst in der Zukunft Ergebnisse erkennen lassen wird? „Wer langsam sammelt“, heisst es in dem Buch der Sprüche, der bekommt immer mehr. Wer’s eilig hat, wird am Ende ohne Erfolg bleiben. Was von Dauer sein soll, braucht Zeit. Gott hat die ganze Welt mit allem drum und dran auch nicht an einem Tag erschaffen.

„Der eine Weg ist diszipliniert, der andere undiszipliniert“. Ohne Selbstdisziplin kann man auf Dauer keinen Erfolg haben. Wer kann thora lernen? Derjenige, der beharrlich ist und dranbleibt und ständig wiederholt. Das ist wie im richtigen Leben.

„Der eine geht nachdenklich, der andere gedankenlos seines Weges“. Mag sein, dass der breite Weg bequemer aussieht. Aber nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel; deshalb kommt es darauf an, anzukommen und zwar dort anzukommen, wo man hin will: In die Gottesnähe. Auf dem breiten Weg zu laufen, dort wo alle gehen, erfordert nicht viel Nachdenkens. Der Sänger singt: Ja, wenn man was erleben will, dann darf man nicht spar'n, dann muss man sonntags fahr’n wenn alle fahr’n. Wer den Stau auf der Autobahn vermeiden will, der muss sich etwas einfallen lassen. Wer zu Gott gelangen will, der kann nicht tun, was die ganze Welt tut; der kann die Dinge nicht mit den Maßstäben der Welt messen. Nehmt noch mal Rabbi Schimmaj. Sein Maßstab war der Zollstock, damit hat er einen Interessenten davon gejagt. Rabbi Hillel hatte einen anderen Maßstab: So wie du willst, dass die Leute dir begeg-nen, so begegne du ihnen auch. Was ist das Ergebnis? Hillel hat einen Menschen für das Wort Gottes gewonnen, Schimmaj hätte ihn fast ganz verjagt.

Mystiker-Zitat der Woche

Du denkst über die Wahrheit, als wäre sie eine Formel, die du aus einem Buch herauspicken kannst. Wahrheit kostet den Preis der Einsamkeit. Wenn du der Wahrheit folgen willst, musst du lernen, allein zu gehen.
- Anthony de Mello

Mittwoch, 10. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XVIIII

Was ist der „Sinn“ dieser "Goldenen Regel"?
Laßt uns dabei auch an die fast simple Regel denken: „Was der Mensch sät, das wird er ernten“. Der Mensch erntet nicht, was er unterlassen hat zu säen. Der Sinn ist nicht nur, dass andere gesegnet werden (oder einfach nur in Ruhe gelassen werden), der Sinn ist, dass ich selbst gesegnet werde, wenn ich andere segne.

Ein Mensch kann durch Gesetze und entsprechende Kontrollen dazu gebracht werden, bestimmte Dinge zu lassen. Durch die Straßenverkehrsordnung wird jeder dazu bestimmt, demjenigen, der von rechts kommt, die Vorfahrt zu lassen. Aber die Straßenverkehrsordnung kann mich nicht zwingen, einen müden Fußgänger mitzunehmen. Dabei kann das sehr unterhaltsam sein. Oder auch sehr lehrreich: Ein Porschefahrer übt Ralleyfahren im Gebirge. Am Fahrbahnrand sieht er ein Stück voraus ein altes Mütterchen hocken, die offenbar nicht weitergehen kann. Er nimmt sie mit und übt im weiteren wieder das Ralleyfahren: Rein in die Kurve, raus aus der Kurve, dritter, zweiter, dritter, vierter Gang, runter in den Zweiten, rauf in den Dritten. Schließlich sagt das Mütterchen nach einer Weile: „Jetzt ist es aber gut, junger Mann, nun lassen sie mal schön die Hände am Lenkrad, das Benzin kann ich ja für sie umrühren.“ Ohne Barmherzigkeit, ohne dieser Frau das zu tun, was er selbst an ihrer Stelle gern gehabt hätte, hätte sich der junge Mann dieses schöne Wissen nie erwerben können: Benzin muss man umrühren.
Barclay meint, es sei eben doch ein Unterschied, ob ich nur nach der Maxime lebe: „Ich darf niemandem Schaden zufügen“ oder nach dem Grundsatz: „Ich muss alles in meinen Kräften Stehende tun, um anderen zu helfen.“

Montag, 8. Februar 2010

Mstiker-Zitat der Woche

Vermeidet in eurem Gebet viele Worte. Ein einziges Wort genügte, um dem Zöllner und dem verlorenen Sohn die göttliche Verzeihung zu schenken. Stellt keine langen Überlegungen in eurem Gebet an. Wie oft rührt den Vater das einfache und immer wiederholte Stammeln des unmündigen Kindes. Lasst euch deshalb nicht auf lange Gedankengänge ein, damit ihr euren Geist nicht mit dem Suchen nach Worten zerstreut. Gedankenfülle im Gebet erzeugt Bildfülle und läßt den Geist zerfließen, während oft ein immer wiederholtes Wort den Geist sammelt. Wenn ihr durch ein Wort im Gebet getröstet und angesprochen werdet, verweilt dabei, denn euer Schutzengel will mit euch beten.

Johannes von der Leiter (Klimakos)

Sonntag, 7. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XVIII

The teacher is teaching the Golden Rule

Was ist „das Gesetz und die Propheten“? (7,12)
Alles nun, war ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!
Das ist die Umsetzung der Forderung „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, denn Liebe ist nicht tatenlos. Niemand kann sagen: „Ich liebe diese oder jenen“ und tut nichts für diese Person.
Im Judentum und in anderen Religionen gibt es solche Aufforderungen: „Was du haßt, das tu keinem anderen an“ (Tobias 4,16). Im Talmud gibt es folgende Stelle: „Wiederum ereignete es sich , dass ein Nichtjude vor Sammaj trat und zu ihm sprach: Nimm mich in das Judentum auf mit der Bedingung, dass du mich die ganze Gesetzeslehre (Torah) lehrst, während ich auf einem Fuss stehe.“
Da stieß er ihn mit der Elle, die er in der Hand hatte, fort. Darauf kam er zu Hillel. Dieser nahm ihn auf und sprach zu ihm: Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht an; das ist die ganze Gesetzeslehre (Thora), alles Andere ist nur die Erläuterung, gehe und lerne sie.“ (Schabat 31a)1
Im Aristeas-Brief, einer jüdischen Schrift, ist davon die Rede, dass der König von Ägypten jüdischen Gelehrten die Frage stellte: „Was heißt das: Weisheit lernen?“ Die Antwort: „Wie du möchtest, dass dich kein Übel befalle und dass du an allem Guten teilhabest, so solltest du auch deine Untertanen und alle, die dich beleidigen, diesem Grundsatz gemäß behandeln und die Edlen und Guten freundlich ermahnen. Denn Gott zieht alle Mensch durch Güte zu sich“ (Aristeas-Brief 207). Rabbi Elieser sagte: „Die Ehre deines Freundes soll dir ebenso teuer sein wie deine eigene Ehre.“ Psalm 15 ist ebenfalls Ausdruck davon, dass dem Nächsten nichts angetan werden soll, was auch wir selbst nicht gern erleiden würden.
Konfuzius sagte auf die Frage: „Gibt es ein Wort, das zur lebensbeherrschenden Regel für uns werden könnte?“ als Antwort: „Ist nicht Gegenseitigkeit ein solches Wort? Was du nicht willst, dass man’s dir antue, das tu auch anderen nicht an.“
Barclay weist auf buddhistische Glaubenshymnen hin in denen es heißt: „Alle Menschen zittern vor der Rute, alle Menschen fürchten den Tod; versetz dich in die Lage der anderen; töte nicht noch veranlasse jemanden, zu töten. Alle Menschen zittern vor der Rute. Alle Menschen hängen am Leben; tu, was du willst, dass man es dir tue; töte nicht noch veranlasse jemanden, zu töten.“

Bei Römern und Griechen gab es auch diese Auffassungen: „Was du selbst zu erdulden vermeidest, das füge auch anderen nicht zu“, sagte Epiktet. Eine der wichtigsten Maximen der Stoiker ist der Satz: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu.“
Jesus geht darüber hinaus: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ Das ist eine Aufforderung zum Handeln, nicht zum Unterlassen. Barclay meint, dies sei ein himmelweiter Unterschied zu der Forderung nach einem bloßen Unterlassen, Stern behauptet, der Unterschied sei nicht wesentlich und man könne über lauter Argumentieren über den scheinbaren Unterschied den Sinn der „Goldenen Regel“ verlieren.
Was meint ihr? Ist der Unterschied klein oder groß? Und was ist überhaupt der „Sinn“ dieser Goldenen Regel?

Samstag, 6. Februar 2010

Gott dienen

Auf der Seite hagalil schreibt im Wochenabschnitt PARASCHAT JITHRO (Schmot 18.1 - 20.23)Dr. Zwi Braun zu den 10 Geboten:

"Wie können wir Gott dienen? Das Kriat Schma, welches wir zweimal täglich im Morgen- und Abendgebet sprechen, gibt die Antwort: "Und du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele und deinem ganzen Vermögen" (Dew.6,5).

In der Sprache der Torah ist das Herz der Sitz unseres Fühlens, Denkens und Trachtens: "Und in das Herz jedes Sachverständigen habe Ich Weisheit gegeben" (Schmot 31,6).
Gott mit dem Herzen dienen, bedeutet also auch, unser Denken in Seinen Dienst zu stellen.

Von der Seele des Menschen, Nefesch, ist bei der Erschaffung des Menschen die Rede: "Und so ward der Mensch zu einer lebendigen Seele" (Ber.2,7).
Der aramäische Targum Onkelos übersetzt dies als "Sprechendes Wesen". Das, was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist vor allem seine Fähigkeit, seine innere Gedankenwelt in Worte zu kleiden und mit der Umwelt zu kommunizieren. Mit unserer Sprache können wir Gott dienen, im Gebet, beim Torastudium und bei vielen anderen Gelegenheiten.

Bleibt noch das Vermögen, die finanziellen Mittel, welche es uns erlauben, viele Mizwot aktiv auszuführen, z.B. Zedaka (Wohltätigkeit spenden) etc.

Mit Denken, Reden und Handeln dienen wir Gott."

("Schmot", oder Schemot, ist das 2. Buch Mose oder auch Exodus; "Ber". ist die Abkürzung für "Bereschit" (1. Buch Mose oder Genesis.)

Mittwoch, 3. Februar 2010

Lehrrede auf dem Berg XVII

„Liebet eure Feinde!“ Nirgends im AT wird gelehrt, dass man seine menschlichen Feinde hassen soll. Vermutlich spielt Jesus mit dem Halbsatz: „... du sollst deinen Feind hassen“ auf eine falsche Lehraussage an, die damals im Umlauf war.
Seinen Feind lieben! Noch einmal: Wie soll das gehen? Für „lieben“ oder „Liebe“ gibt es im Griechischen 4 Begriffe: 1. Storge, stergein; 2. Eros, era; 3. Philia, philein; 4. Agape, agapan.
1. Bezeichnet die Liebe zwischen Eltern und Kindern. „Kinder lieben (stergein) und werden geliebt von denen, die sie in die Welt gesetzt haben“, sagt Plato.
2. Eros bezeichnet die Liebe zwischen Mann und Frau. Sophokles bezeichnet den eros als „verzehrende Sehnsucht“.
3. Menander schrieb: „Wen die Götter lieben, der stirbt jung.“ Philein ist Ausdruck inniger, zärtlicher Zuneigung, tiefer Freundschaft. Barclay sagt. „Ausdruck der höchsten Liebe“.
4. Agape bezeichnet eine durch nichts zu erschütternde Güte, Zuneigung, Wohlwollen. „Wenn wir jemandem mit agape begegnen, spielt es keine Rolle, wie der Betreffende sich uns gegenüber verhält, ob er uns kränkt oder Kummer bereitet; wir werden trotz allem keine Bitterkeit gegen ihn in unserem Herzen aufkommen lassen, sondern ihm stets Wohlwollen entgegenbringen und jene Güte zeigen, die nur auf sein Bestes bedacht ist.“

Was meint ihr steht hier in der Lehrrede: stergein, eran, philein oder agapan?
Bitte begründe deine Vermutung oder nenne die Gründe, wenn du es weißt.

Wir lieben Feinde nicht, als ob sie unsere Eltern oder unsere Kinder wären. Das ist unmöglich.
Den Feind mit erotischer Liebe zu lieben wäre auch ziemlich seltsam.
Zärtliche Gefühle für seinen Feind zu empfinden wäre ein bißchen viel verlangt.
Was bleibt ist agapan.
Eine Liebe, die nicht dem Herzen entspringt und nicht auf Freundschaft oder Verwandtschaft beruht, sondern eine Liebe, die eine Willensentscheidung beinhaltet, einen bewußten Entschluß: Meine Güte diesem Menschen gegenüber soll durch nichts zu erschüttern sein. Das heißt, denke ich, nicht, dass ich mich gegen ihn nicht wehren darf, wenn er mich überfällt. Es heißt aber sehr wohl, dass ich ihm wohlwollend begegne, wenn ich mit ihm fertig bin und dass ich ihm mit Güte begegne, wenn Waffenstillstand herrscht oder über den Frieden verhandelt wird.
Das ist die Grundlage für jede zwischenmenschliche Beziehung. Nur so, mit agape können wir es schaffen, ohne Bitterkeit gegen andere Menschen zu leben, mit denen wir täglich zu tun haben. Nur mit agape können wir für andere beten, denn wen man haßt, für den kann man nicht beten. Wenn du geneigt bist, jemanden zu hassen, dann fange an, für ihn zu beten und der Haß wird verschwinden, „vor Gott können wir niemanden mehr hassen.“
Barclay meint, wie viele andere auch, dass die Feindesliebe ein „ausgesprochen christliches Gebot“ sei, weil wir nur durch die Gnade Jesu Christi dieses unüberwindliche Wohlwollen aufbringen können. Aber das ist ein wenig geschummelt. Das Erste Testament gebietet eindeutig, dass ein Feind, der Durst hat, vom Volk Gottes getränkt (nicht ertränkt) werden soll; der Feind, der Hunger hat, soll von uns zu essen bekommen. Das ist weder Kindesliebe, noch Erotik, dass ist keine zärtliche Freundschaft; das ist agape.



Ein weiteres Mal: die Feindesliebe