Sonntag, 12. Juni 2011

Babara John über Margot Käßmann

Ich beobachte derzeit eine Entwicklung, die in Deutschland wieder in Mode zu kommen scheint: das Prophezeien von Gewissheiten über Gegenwart und Zukunft. Das klingt dann so: „Nichts ist gut in Deutschland, solange Kinder arm sind.“ Was heißt das anderes als: Hier ist jetzt alles schlecht. Da wird nicht mehr begründet, nicht mehr argumentiert und konkret kritisiert, sondern nur noch festgestellt. Weissagungen dieser Art haben unter anderem die evangelische Theologin Margot Käßmann derzeit zu einer der bekanntesten Frauen in Deutschland aufsteigen lassen. Wenn sie als Rednerin angekündigt wird, ist jede Veranstaltung schon Stunden vor Beginn überfüllt, wie gerade wieder auf dem Kirchentag in Dresden.

Ich halte (als Christin) gar nichts von Wirklichkeitsdeutungen, die sich, aufgrund ihrer orakelhaften Formulierung, inhaltlich jedem Einwand entziehen. Verstand und kritisches Denken werden nicht mehr gebraucht. Warum abwägen, wenn, wie es in einer Kirchentagsresolution heißt, nicht Wirtschaftswachstum „gewollt und wichtig ist“, sondern „Wachsen an Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Zeit, Kultur, Glaube und Engagement“. Warum sollen das überhaupt Gegensätze sein?
tagesspiegel.de

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