Mittwoch, 20. Juli 2011

Flashmob-Lobpreis

Schmaler Weg und enge Pforte

„Geht ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind ihrer, die ihn finden.“ (Matthäus 7, 13 f).

Der im September 2000 verstorbene italienische Wirtschaftshistoriker und Schriftsteller Carlo Cipolla hat, vermutlich ohne es zu wissen, zur Auslegung dieser Bibelstelle einen erhellenden Beitrag geschrieben, der in der Welt besprochen wurde. Ich möchte meinen Beitrag dazu mit diesem Auszug ergänzen:

Vielleicht steckt hinter unserem Dilemma einfach ein Probabilitätsproblem: der inhärente Wahrscheinlichkeitsunterschied zwischen dem Einschlagen des einen rechten Weges und der vielen falschen Wege. Der Pfad der Tugend ist schmal, aber der Irrtum hat das ganze Gelände für sich. Auf der einen Seite haben wir das Valide, das Wahre und das Gute: wünschenswerte Ziele, aber eben nur drei. Auf der anderen Seite sind es Legionen: Unsinn, Nonsens, Schmarren, Stuss, Blech, Humbug, Narretei, Torheit, dummes Zeug, Mumpitz, Quatsch, Unfug. Nachdem wir unsere wenigen Gebote niedergeschrieben haben, eröffnen sich uns Myriaden von Gelegenheiten, darauf zu pfeifen.

Dies wurde von dem italienischen Wirtschaftshistoriker Carlo Cipolla in seinem Aufsatz "Die Prinzipien der menschlichen Dummheit" klar herausgearbeitet. Wie Cipolla feststellte, ist das Schlechte statistisch wahrscheinlicher als das Gute. Von den vier Kategorien des Menschen - die er als die Unbedarften, die Intelligenten, die Banditen und die Dummen bezeichnet - bestehen drei aus Personen, die aufgrund ihres Charakters dazu ausersehen sind, anderen und/oder sich selbst Schaden zuzufügen.

In weiteren Befunden macht Cipolla deutlich, dass es in jeder menschlichen Gruppe (er schließt Professoren und Nobelpreisträger ausdrücklich ein) einen konstanten Prozentsatz an Dummheit gibt; er zeigt, dass jeder von uns die Menge dummer Individuen und ihre Macht, Schaden anzurichten, unterschätzt, und er unterstreicht, dass die Dummen von allen Gruppen am gefährlichsten sind, weil sie die Folgen ihrer Handlungen nicht beabsichtigen. "Tagein, tagaus wird man bei seinem Tun permanent von dummen Menschen belästigt, die plötzlich und unerwartet an den unpassendsten Orten und zu den ungelegensten Zeitpunkten auftauchen." Der Irrtum ist durchdringend, allgegenwärtig.

Freitag, 1. Juli 2011

Israelische Software identifiziert Bibel-Autoren

Eine israelische Software gibt neue Hinweise auf die verschiedenen Autoren der Bibel, die einige Forscher schon länger ausgemacht haben.

Die neue Software analysiert Stil und Wortwahl, um Teile eines Textes voneinander zu unterscheiden, die von verschiedenen Autoren verfasst wurden. Auf die Bibel angewandt hat ihr Algorithmus die Stimmen verschiedener Autoren herausgehört.

Das Programm wurde auf dem Forschungsgebiet der künstlichen Intelligenz entwickelt und soll auf den verschiedensten Feldern angewendet werden – doch die Bibel stellte für die Entwickler eine besondere Herausforderung dar.

Für Millionen von Juden und Christen ist es eine Tatsache, dass Gott der Autor der Bibel ist. Doch seit Anbeginn der modernen Bibelwissenschaften gehen Forscher davon aus, dass der Text von einer Anzahl verschiedener Autoren geschrieben wurde, deren Arbeit anhand verschiedener ideologischer Agenden und Sprachstile und der verschiedenen für Gott verwendeten Namen identifiziert werden kann.

Heute unterteilen Forscher den Text in zwei Hauptstränge, wobei einer der sogenannten „Priesterquelle“ zugeschrieben wird, weil hier offensichtlich Verbindungen zu den Priestern des Tempels in Jerusalem bestehen, und der Rest einer weiteren Quelle, die nicht mit den Priestern in Zusammenhang steht.

Auch die Software hat diese Einteilung vorgenommen. Die Aufteilung der Texte auf die beiden Hauptquellen stimmt zu 90% mit der klassischen akademischen Einteilung der Quellen überein. Damit sei innerhalb von Minuten die langjährige Arbeit vieler Forscher simuliert worden, erklärt der Informatikprofessor Moshe Koppel von der Bar-Ilan-Universität, Leiter des Forschungsteams.

„Es ist uns unserer automatisierten Methode gelungen, die Arbeit von Jahrhunderten mühsamer Arbeit zu rekapitulieren“, so das israelische Team in einem Paper, das in der letzten Woche auf der Jahreskonferenz der Association for Computational Linguistics in Portland vorgestellt wurde.

Für Forscher sind nun besonders die Stellen interessant, bei denen sich das Programm mit der bisher in der Forschung herrschenden Meinung uneins war. Dies betrifft gleich das erste Kapitel der Schöpfungsgeschichte. Üblicherweise wird es der Priesterquelle zugeschrieben, die Software war aber anderer Meinung.

(Haaretz/AP, 30.06.11)

Dienstag, 28. Juni 2011

Leitfaden für christliche Mission

"Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche" – das ist die Kernthese eines Leitfadens für christliche Mission, der heute im Ökumenischen Zentrum Genf unterzeichnet und der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. Damit wurde erstmalig in der Kirchengeschichte ein Dokument gemeinsam vom Vatikan, dem Ökumenischen Rat der Kirchen und der Weltweiten Evangelischen Allianz verabschiedet

Das Dokument mit dem Titel "Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt" versteht sich als Empfehlung dafür, wie Mission als Auftrag von Jesus Christus in der Beziehung zu den anderen Religionen aussehen sollte. Der ökumenische Ethikkodex für Mission formuliert zwölf Prinzipien, die den missionarischen Auftrag der christlichen Kirchen betonen und gleichzeitig dazu aufrufen, Andersgläubigen respektvoll und mit Nächstenliebe zu begegnen. Es sei "für jeden Christen unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden und seinen Glauben in der Welt zu bezeugen", heißt es in der Präambel. Dazu gehöre es, Beziehungen zu Angehörigen anderer Religionen aufzubauen, um deren Glauben kennenzulernen und "gegenseitiges Verständnis, Versöhnung und Zusammenarbeit für das Allgemeinwohl zu fördern".

Auch sollten Christen "Gewalt, Unterdrückung und ungerechte Diskriminierung durch religiöse oder säkulare Autoritäten" ablehnen und anprangern, wo Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt oder eingeschränkt werden. Sie müssten dem Kodex entsprechend auch selbst darauf achten, dass ein Religionswechsel ein entscheidender Schritt sei, der ausreichend zeitlichen und vor allem persönlichen Freiraum benötige. Christen seien zudem dazu berufen, dem Vorbild und der Lehre Jesu Christi zu folgen. Soziale Dienste seien ein integraler Bestandteil davon, das Evangelium zu bezeugen.

Hingegen sollten es Christen ablehnen, Menschen durch materielle Anreize oder Belohnungen gewinnen zu wollen. Das Dokument bekräftigt die christliche Verantwortung, von Jesus Zeugnis abzulegen. Die Bekehrung sei dabei jedoch letztendlich das Werk des Heiligen Geistes.
worldevangeicals

Donnerstag, 23. Juni 2011

Ayurveda für die unschuldige Seele

"Nichts ist gut in Afghanistan!" - der Satz, mit dem die evangelische Ex-Bischöfin Margot Käßmann berühmt wurde, markiert diese Haltung idealtypisch. Einerseits übt man radikale Kritik an der bösen Wirklichkeit, andererseits zieht man sich selbst ins Reich der reinen Moral zurück, in dem allenfalls gemeinsame Gebete mit den Taliban erlaubt sind. Politik ist hier längst nur noch Ayurveda für die unschuldige Seele, die sich keinesfalls die Hände schmutzig machen will. "Ich finde Krieg schlicht und ergreifend grauenvoll", schreibt sie in ihrem jüngsten Bestseller "Sehnsucht nach Leben", "und alle Rechtfertigungsversuche für kriegerisches Handeln haben für mich einen schalen Beigeschmack".

Gerne glauben wir, dass Margot auch den Zweiten Weltkrieg schlicht und ergreifend grauenvoll fand, aber diese pseudonaive Kindersprache verrät mehr über sie selbst als über das Wesen des Krieges. Merkwürdig nur, dass sie bis heute nicht ein einziges Mal in Afghanistan war, um Gebetsvorbereitungen mit friedliebenden Taliban zu treffen. Aber darum geht es natürlich gar nicht. Denn: "Frieden fängt ja im eigenen Umfeld an", wie sie in ihrem neuesten Erbauungswerk für die kritische Seele dekretiert.

Hier betrachten wir den Margot-Käßmann-Komplex in seiner reinsten Form: Es geht um den Frieden in mir selbst. Die böse Welt da draußen hat nichts damit zu tun. Sie ist nur eine diffuse Erscheinung hinter den Glasbausteinen des eigenen Glaubens. Deshalb wird man den Satz "Nichts ist gut in Syrien" von der Heiligen Margot niemals hören. Dafür reicht ihre "Fantasie" einfach nicht aus, die nichts anderes ist als der bigotte Moralismus einer frömmelnden Selbstgerechtigkeit.
dradio.de

Mittwoch, 22. Juni 2011

Christen, entfernte Verwandte

Eine radikale christliche Gruppe will bei der Beerdigung von US-Stuntman Ryan Dunn (34) protestieren. "Ryan Dunn ist in der Hölle", erklärte die Westboro Baptist Church in Topeka im US-Bundesstaat Kansas laut der Online-Zeitung "The Daily Mail" in Dunns Heimatstadt West Chester, Pennsylvania. Die Gemeinschaft werde "alle warnen, der Sünde nicht zu spotten, Gott zu fürchten und ihm zu gehorchen".
Die nicht mit anderen Baptistenkirchen verbundene Westboro Baptist Church machte mehrfach durch antisemitische Äußerungen und eine Koranverbrennung Schlagzeilen. Ihr Prediger Fred Phelps bezeichnet Naturkatastrophen und Terroranschläge wie die vom 11. September 2001 als Strafen Gottes für die Duldung von Homosexualität, die sündhaft sei.

Die Anhänger von Fred Phelps glauben, ihr Gott sei ein hassender Gott, der keine Gelegenheit auslasse, alle Menschen, die nicht an ihn glauben oder nicht nach seinem Wort handeln zu bestrafen. Mitglieder der Baptistengruppe stürmen regelmäßig Beerdigungen gefallener US-Soldaten, dabei spucken sie auf Gräber, beleidigen und beschimpfen Angehörige. Denn es sei sündhaft, Mitglied der US-Armee zu sein, weil die Streitkräfte für ein Land stünden, das Homosexualität erlaube.

Sonntag, 12. Juni 2011

Babara John über Margot Käßmann

Ich beobachte derzeit eine Entwicklung, die in Deutschland wieder in Mode zu kommen scheint: das Prophezeien von Gewissheiten über Gegenwart und Zukunft. Das klingt dann so: „Nichts ist gut in Deutschland, solange Kinder arm sind.“ Was heißt das anderes als: Hier ist jetzt alles schlecht. Da wird nicht mehr begründet, nicht mehr argumentiert und konkret kritisiert, sondern nur noch festgestellt. Weissagungen dieser Art haben unter anderem die evangelische Theologin Margot Käßmann derzeit zu einer der bekanntesten Frauen in Deutschland aufsteigen lassen. Wenn sie als Rednerin angekündigt wird, ist jede Veranstaltung schon Stunden vor Beginn überfüllt, wie gerade wieder auf dem Kirchentag in Dresden.

Ich halte (als Christin) gar nichts von Wirklichkeitsdeutungen, die sich, aufgrund ihrer orakelhaften Formulierung, inhaltlich jedem Einwand entziehen. Verstand und kritisches Denken werden nicht mehr gebraucht. Warum abwägen, wenn, wie es in einer Kirchentagsresolution heißt, nicht Wirtschaftswachstum „gewollt und wichtig ist“, sondern „Wachsen an Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Zeit, Kultur, Glaube und Engagement“. Warum sollen das überhaupt Gegensätze sein?
tagesspiegel.de