Freitag, 14. Mai 2010

Lafontaine über Glaube und Religion

WELT ONLINE: Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Tausende kehren ihr den Rücken. Hat auch der Katholik Oskar Lafontaine auch schon einmal über einen Austritt nachgedacht?

Oskar Lafontaine: Ich kann die Menschen verstehen, die sich jetzt enttäuscht von der Kirche abwenden. Andererseits muss man sich die Frage stellen, welche Rolle die Kirche bzw. die Religion in unserer modernen Gesellschaft spielt. Von Dostojewski stammt der Satz: Wenn Gott tot ist, ist alles erlaubt. Mit anderen Worten: Jede Gesellschaft braucht eine Wertorientierung. Deshalb habe ich Religion immer bejaht, bei allen Fehlentwicklungen, die es da gab und gibt.

WELT ONLINE: Wie schwierig ist es, einer Partei vorzustehen, für die in weiten Teilen Gott nie lebendig war?

Lafontaine: Diese Frage habe ich mir so nie gestellt, aus einem einfachen Grund. Ich bin überzeugt, dass die sozialistische Idee ohne das Christentum nicht entstanden wäre. Das Christentum ist die Religion der Nächstenliebe. Das politisch korrekte Wort für Nächstenliebe ist Solidarität.

WELT ONLINE: Karl Marx sah das etwas anders. Er bezeichnete Religion als „Opium fürs Volk“.

Lafontaine: So steht das in seinen Thesen über Feuerbach. Die Religion hat zurzeit von Karl Marx eine andere Rolle gespielt als heute. Heute stellt sich die Frage, wer in der Gesellschaft die Wertevermittlung übernimmt. Der Supermarkt kann die Kathedrale nicht ersetzen.

WELT ONLINE: Wie viel Jesuitenschüler steckt denn noch in dem Politiker Lafontaine?

Lafontaine: Ich habe Seminare bei den Jesuiten besucht, war aber nicht wie Heiner Geißler (CDU-Politiker) auf einem Jesuiteninternat. Um es etwas allgemeiner zu sagen: Mein Engagement in der Linken hat etwas mit meiner christlichen Erziehung zu tun. Die Idee der Gleichheit ist auch eine christliche Idee, weil sie von der Gleichheit der Gotteskinder ausgeht.

WELT ONLINE: Zentraler Bestandteil der katholischen Glaubenslehre ist die Buße. Wofür tun Sie Buße?

Lafontaine: Im streng katholischen Sinne gibt es sicherlich vieles, wofür ich Buße tun müsste. Aber da kommen wir in den religiösen Bereich, der ins Persönliche geht und darüber sollte man öffentlich nicht sprechen.

welt.de

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