Donnerstag, 4. März 2010

Herausforderung für Seelsorger

Der Brief unten ist ein fiktives Schreiben, dass eine junge Frau an ihre Eltern richtet. Er stammt von Hadassa Luk und ist im Original auf Englisch auf aish.com zu lesen.
Ich gebe ihn nachstehend in eigener Übersetzung wieder, um den Seelsorgern oder angehenden Seelsorgern unter uns etwas zu geben, auf dem sie herumkauen können. Vielleicht mas jemand seine Gedanken dazu mitteilen, was ein Seelsorger der jungen Frau raten kann.

"Mein Brief ist an euch geschrieben, aber er ist für mich beabsichtigt. Um Dinge im Inneren zu klären. Um mich selbst besser zu verstehen. Um die Untiefen des menschlichen Herzens zu verstehen.

Ich kann euch nicht einmal so anreden, wie ich es sollte. Es tut zu weh. Soll ich mit Fragen beginnen? Soll ich damit anfangen euch zu erzählen, was mir durch den Kopf geht? Was mir vermutlich seit meiner Geburt das Herz schwer macht? Vielleicht schon seitdem du mich empfangen hast? Ich weiß nicht, was du gefühlt hast, als du mit mir schwanger warst, aber ich vermute es waren nicht die gesundesten Gefühle. Ich weiß, dass du mich in den ersten wenigen Minuten meines Lebens nicht sehen wolltest. Mein Leben plagte dich.

Ich weiß nicht einmal, wie ich diesen Brief schreiben soll. Es ist in den tiefsten Winkeln meines Herzens verborgen, in den innersten Kammern. Ich war zu ängstlich, diese Kammern zu betreten. Ich hatte nicht die emotionale Stärke, dorthin zu gehen. Du hast mir sehr viel Kummer gemacht. Ich bin deinetwegen ein verkrüppeltes menschliches Wesen geworden. Ich bin deinetwegen ohne Eltern aufgewachsen und bin niemals ein Kind gewesen. Ich habe nie gewusst, was es heißt, jemandem zu vertrauen, denn das hast du mir genommen. Ich habe gelernt, Angst vor Menschen zu haben, denn du hast mich diese Angst gelehrt.

Ich habe seitdem gelernt, dass der Mangel an einer Mutter und an Liebe nie wirklich gefüllt oder ausgeglichen werden kann. Ich lebe diese Leere Tag für Tag. Ich habe gelernt, dass man, wenn jemand dich liebt, man das nicht zu tief aufnehmen darf, denn man kann darauf keine 20 oder mehr Jahre bauen. Ich habe gelernt, gegen Schmerz und Beleidigung immun zu sein, weil du mir dieses so oft angetan hast. Es war einfach Teil meines Lebens, Teil davon, morgens aufzustehen und sich durch einen neuen Tag zu kämpfen.

Du hast mich gelehrt, in meine eigene Welt zu gehen, die in sich nicht sehr angenehm war, weil du in deiner eigenen Welt gelebt hast, als ich ein Kind war. Ich habe gelernt die Welt da draußen als Bedrohung zu sehen, so als ob es die Menschen auf mich abgesehen hätten. Ich habe gelernt, mich von freundlichen Geseten wegzuducken und ich weiß nicht, wie man aus verletzenden Situationen herauskommt, weil du zwischen diesen beiden zu oft gewechselt hast. Ich habe gelernt, die Zähne zusammenzubeißen, wenn ich bemängelt werde, weil das alles war, was ich von dir zu hören bekam. Ich weiß nicht, wie man Lob annimmt, weil ich nie ein Lob wert gewesen bin. Ich lernte nicht zu lachen, denn das hast du mir nicht erlaubt. Ich lernte nie "nein" zu sagen, wenn es erforderlich ist, weil du mir diese Wahl nie gelassen hast. Ich weiß nicht, wie man ein produktives Mitglied der Gesellschaft sein kann, weil du von mir verlangt hast, so viel zu produzieren.

Ich bin jung an Jahren aber alt in Unverwüstlichkeit. Zu alt. Ich habe gelernt, mich vor Verantwortung zu drücken, weil du nie Verantwortung übernommen hast. Ich habe gelernt, dass Strafen hereinbrechen, egal wie meine Absichten waren, denn für dich war nichts jemals gut genug. Ich habe gelernt, dass es einfach ist, andere für eigene Unzulänglichkeiten verantwortlich zu machen, weil ich das ständig von dir gehört habe.

Ich habe gelernt, dass unterdrückte Emotionen viel besser und sicherer sind, weil du mich sie nie hast ausdrücken lassen und ich es mir nicht leisten konnte, sie zu fühlen. Ich lernte, dass es in Ordnung ist, in dieser Welt allein zu sein, weil du niemanden in meine Welt hineingelassen hast. Ich lernte, dass es besser ist, sich zu verstecken, denn wenn ich das nicht tat, bist du über mich hergefallen. Ich lernte wie man da sein und zugleich unsichtbar sein kann, denn wenn ich gesehen wurde, ging es nie gut aus. Ich lernte, dass es nicht gut ist, sich zu seinen Fehlern zu bekennen, denn ich wurde immer für deine Fehler beschuldigt. Ich lernte, dass ich es verdient habe, wenn ich Schmerzen hatte, denn das hast du mir immer gesagt.

Ich lernte, mich von Menschen überrollen zu lassen, weil ich glaubte, ich könne deine Zustimmung, deine Liebe gewinnen, wenn ich das erlauubte. Ich lernte, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Ich lernte, dass Werte wertlos sind, weil du keine hattest. Ich lernte, um das zu betteln, was ich brauchte, denn das war der einzige Weg, etwas zu bekommen.

Ich habe zuviele Dinge gelernt, um sie alle hier aufzulisten. Die meisten davon waren negativ. Aber das eine Positive, welches das Leben mich gelehrt hat, besteht darin, dass, wenn ich meine, ich könne einfach nicht mehr, Gott mir eine neue Portion Stärke schickte.
Ich wünsche nur, ich hätte das auf eine andere Art gelernt. Ich wünsche einfach, ich hätte Eltern, auf die ich stolz sein kann, wünsche, dass meine Kindheit nicht so verschwendet worden wäre. Ich wünsche, dass ich durch eure Lehren und eure Verbogenheit nicht so verkrüppelt wäre. Wie sehr wünsche ich, dass ich ein anderes Leben kennengelernt hätte, dass ich durch eure Lehren richtig von falsch unterscheiden könnte. Ich kenne das Falsche, aber nicht das Richtige.

Ich möchte in der Lage sein, euch all das zu sagen, aber dazu bin ich nicht in der Lage und werde es vielleicht niemals sein. Ich möchte, Gott helfe mir, meinen Kindern alles geben, was ich nicht hatte, aber wie soll ich das machen? Ich möchte die Balance zwischen Zurechtweisung und Liebe kennen, aber das habe ich nie gesehen. Vielleicht ist es ein und dasselbe. Man kann nicht zurechtweisen ohne Liebe.

Ich hoffe, dass ihr eines Tages Stolz auf mich sein werdet, auch wenn es mir schwer fällt, zu wissen, dass ich euch eine Freude mache. Aber, was wichtiger ist, ich muss auf mich selbst stolz sein können.

Ich bete, dass mein Leben eine Lektion für meine zukünftigen Jahre sein kann. Dass ich nur gute Dinge aus meiner Vergangenheit lerne. Dass ich Feindschaft mit der Gnade eines Erwachsenen begegnen kann und nicht mir dem Kummer eines Kindes. Dass ich es lerne, mich nicht auf meine Behinderungen zu stützen, sondern dass ich sie benutzen kann, um vorwärts und nach oben zu kommen.

Ich hoffe, dass ich eines Tages in der Lage sein werde, stolz dazustehen und zu sagen, dass ich als Gewinner herausgekommen bin, trotz meiner Vergangenheit. Oder vielleicht gerade wegen ihr."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen