Fortsetzung von "Arm im Geiste"
Eckehart sagt, die Auffassung der Meister, wonach ein Mensch aller Dinge ledig sein soll, damit er eine Stätte sein könne, in der Gott wirken kann, geht nicht weit genug. Denn dann ist der Mensch noch nicht arm, er hat ja noch diese Stätte in sich, die er Gott für sein Wirken anbieten kann. „.. Gott strebt für sein Wirken nicht danach, dass der Mensch eine Stätte in sich habe, darin Gott wirken könne; sondern das (nur) ist Armut im Geiste, wenn der Mensch so ledig Gottes und aller seiner Werke steht, dass Gott, dafern er in der Seele wirken wolle, jeweils selbst die Stätte in sich habe, darin er wirken will – und dies täte er (gewiß) gern. Denn, fände Gott den Menschen so arm, so wirkt Gott sein eigenes Werk und der Mensch erleidet Gott so in sich, und Gott ist eine eigene Stätte seiner Werke; der Mensch (aber) ist ein reiner Gott-Erleider in seinen (=Gottes) Werken angesichts der Tatsache, dass Gott einer ist, der in sich selbst wirkt. Allhier, in dieser Armut erlangt der Mensch das ewige Sein (wieder), das er gewesen ist und das er jetzt ist und das er ewiglich bleiben wird.“
Das kommt uns vielleicht reichlich merkwürdig vor. Aber was verstehen wir denn bislang unter solchen Aussprüchen wie: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ oder „der Vater wird kommen und Wohnung bei euch machen“ oder „getauft zu sein in den Heiligen Geist“?
Eckehart geht es dabei um die Einigung mit Gott. Das Ich wird zunichte, indem es in Gott untergeht und damit neu geboren wird. Wir kennen alle den Choral „Ich bete an die Macht der Liebe“. Was bedeutet es denn, wenn es dort heißt: „Ich will anstatt an mich zu denken, ins Meer der Liebe mich versenken.“? Genau das: Das Ich geht unter, die Seele wird in der Gottheit begraben, „sie wird still ganz und allein in dem Wesen Gottes.“ Es ist wie David schreibt: „Nur auf Gott wartet still meine Seele, von ihm kommt mein Heil.“ (Psalm 62,2) „Wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter, ist meine Seele in mir.“ (Psalm 131, 2)
Das ist das Ergebnis der Armut im Geiste und das wäre, wenn man es denn hätte, überfließender Reichtum.
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