Sanftmut zum zweiten
Ist Gott sanftmütig? Über Jesus ist gesagt, er sei sanftmütig und von Herzen demütig und gleichzeitig sagt er über sich selbst: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Aber ist Gott nicht ein verzehrendes Feuer? Wo bleibt da die Sanftmut? Oft genug „entbrennt“ Gottes Zorn im Ersten Testament (4. Mose 11,1; 25,3; Psalm 2,5 usw.). Wir sollen Gottes Nachahmer sein und Jakobus rät uns diesbezüglich: „Seid langsam zum Zorn“ ( Jakobus 1,9). Das hängt mit Sanftmut zusammen: Gehe nicht bei allem und jedem gleich an die Decke, sei langsam zum Zorn.
Es gibt noch einen anderen Zusammenhang. In Mt 5,22 sagt Jesus, dass jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht anheim fallen kann. Für das Verb „zürnen“ steht hier im Griechischen orgizesthai und steht im Gegensatz zu thymos, was einen kurzen, schnell auflodernden und dann auch schnell wieder zu besänftigenden Zorn meint. Orgizesthai ist ein tiefes, ein im eigenen Wesen verwurzeltes Zürnen, welches ein Mensch festhält und nährt. Auch Gottes Zorn kann schnell „entbrennen“ und auflodern, aber ist auch schnell wieder zu besänftigen. So sollen die Sanftmütigen auch sein.
Laßt mich euch noch ein wenig mit der Sanftmut nerven. Wenn wir das Thema erörtern, dann hören wir leicht, dass jemand sagt: Wie kann denn ein Volk sanftmütig sein, wenn es dauernd angegriffen wird? So als ginge es bei der Charaktereigenschaft der Sanftmut darum, sich wehrlos zu machen.
Es geht auch darum, sich in der Gemeinschaft der Heilgen, in der eigenen Gemeinde in angemessener Weise zu bewegen und einander zu begegnen in mitmenschlicher Gemeinschaft.
Wie geht man miteinander um? Wie redet, wie streitet man miteinander in sanftmütiger Weise? Vielleicht langweilt das manch einen, weil er unsere erste Aufgabe darin sieht, die Welt vom Teufel zu befreien, die bösen Geister aus Berlin zu vertreiben und die Stadt für Gott zu erobern. Darf man erinnern: „Derjenige, der langsam ist zum Zorn ist besser als die Mächtigen und derjenige, der seinen Geist beherrscht ist besser als einer der eine Stadt erobert.“ (Sprüche 16, 32) Also, wie ist das mit der Sanftmut in der Diskus-sion?
Rabbi Kalman Packouz stellte vor einiger Zeit jede Woche eine „weekly torah portion“ ins Internet (www.aish.com/torahportion/shalomweekly/Chukat). In einer der Portionen hat er einige Tips für eine erfolgreiche Diskussion veröffentlicht. Lesen wir mal nach (Übersetzung aus dem Englischen von mir):
Streit eskaliert mit der Lautstärke der Streiter. „Eine sanfte Antwort nimmt den Zorn hinweg“ (Sprüche 15:1) Je kraftvoller die andere Person argumentiert, um so ruhiger wird deine Antwort. Du wirst sehen, dass die andere Seite ihren Ton ebenfalls senkt.
Du kannst dich dort nicht streiten, wo es Übereinstimmung gibt. „Das ist ein guter Punkt.“ „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“ „Du hast absolut recht.“ Richte deine Aufmerksamkeit auf die Punkte, mit denen du überein-stimmst und nicht auf die, wo du eine abweichende Meinung hast.
Gib zu, dass du falsch gelegen hast. Niemand hat je völlig Recht. Finde etwas, wofür du dich entschuldigen, für das du die Verantwortung übernehmen kannst. Die andere Person wird sich besser fühlen und wird dann auch selbst Fehler einräumen.
Beschuldige nicht und greife nicht an. Sage nicht: „Du hast das und das gesagt!“ oder „Du hast dies oder das getan!“ Stelle Fragen, mache keine Fest-stellungen. Und stelle ernsthafte Fragen und gebrauche Fragen nicht Angriffs-waffe.
Erinnere dich an dein Ziel! Im Falle der Ehe möchtest du Harmonie, Friede, eine gute Atmosphäre und Liebe erreichen. Argumente brüten Stress und Furchtsamkeit, nicht Friede und angenehme Zufriedenheit. Sage dir selbst: ich liebe meinen Ehepartner, ich liebe meine Kinder, ich liebe mein Geld (denn Scheidungen sind sehr teuer).
Sei nicht so blöde, dem/der von dir Auserwählten und dir selbst Respektlosig-keit zu zeigen, indem du Dinge sagst, die zerstörerisch wirken, die gemein sind oder wertlos. Du hast dir diese Person als Ehepartner ausgewählt. Das ist über alle anderen Personen diejenige, welche die Qualitäten hat, die sie vor allen anderen Milliarden Menschen auf diesem Planeten auszeichnet.
Biege ein Argument in eine Diskussion um. Verteidige keine Position; suche danach, eine Idee oder ein Problem zu klären. Menschen guten Willens, die gemeinsam nachdenken können zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Höre mit offenem Verstand zu. Sei ein Richter und kein Anwalt.
Frage dich selbst: Ist dieses Argument wirklich den Streit wert? Es mag doch am Ende so sein, dass alles über das argumentiert wurde absolut trivial ist.
Was sagen wir dazu? Ist das Sanftmut in Aktion oder sind das nur ein paar Tricks, um den Gegner am Ende doch dahin zu bekommen, wo man ihn haben will?
Laßt uns zur Abrundung noch ein „Wortgefecht“ betrachten, das im Talmud überliefert ist. Es diskutierten Rabi Jehoschua, Chananjas Sohn und die Alten der Athenischen Schule.
Jehoschua wird gefragt: „Wenn das Salz schlecht wird, womit soll man es salzen? Er sagte zu ihnen: Mit der Nachgeburt einer Mauleselin! Frage: Gibt es denn eine Nachgeburt einer Mauleselin? Antwort: Und wird denn Salz schlecht?
Frage: Womit soll man ein Beet aus Messern abhauen? Antwort: Mit dem Horn eines Esels. Frage: Gibt es denn ein Eselshorn? Antwort: Und gibt es denn ein Messerbeet?
Sie brachten ihm zwei Eier und sagten zu ihm: Welches ist von einer dunklen Glucke, und welches ist von eine hellen Glucke? Da brachte er zwei Käse und sagte zu ihnen: Welcher ist von einer dunklen Ziege, und welcher ist von einer hellen Ziege?1
Lassen wir mal den Inhalt beiseite, der hat fast Talkshowformat. Aber schaut euch die Form an: Auf die Art kann ein Gesprächspartner dich mit dem größten Blödsinn nerven und versuchen, dich aus der Ruhe zu bringen: Es wird ihm nicht gelingen.
(Lehrrede auf dem Berg; Matthäus 5 ff; auch: Bergpredigt)
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