Samstag, 30. Januar 2010

Das Mystiker-Zitat der Woche

Wie oft muss man beten, damit der Verstand eine klare Erkenntnis über ein Werk, dass ich zu vollbringen habe, erhält? Wenn du deinen geistlichen Vater nicht fragen kannst, so bete dreimal vor jedem Werk. Dann beobachte genau, wohin dein Herz zieht, und zwar haargenau, und danach gehe voran.
soll man zu verschiedenen Zeiten oder in derselben Zeit dreimal beten? Das hängt von der Dringlichkeit der Sache ab. Steht dir genügend Zeit zur Verfügung, so bete dreimal im Laufe von drei Tagen. Ist die äußerste Eile geboten, wie beim Ölbergleiden des Erlösers, so nimm ihn dir zum Vorbild. Wie er dreimal hinging zum Gebet. so bete auch dreimal hintereinader mit denselben Worten.

Barsanuphius

Freitag, 29. Januar 2010

Lehrrede auf dem Berg XVI

Barmherzigkeit zum Zweiten

Kommen wir noch einmal zur Barmherzigkeit zurück.
Barmherzigkeit ist ohne Weisheit, ohne Einfühlsamkeit nicht praktikabel. Derjenige, der eine andere Person „barmherzigen“ will, muss sich in diese Person hineinversetzen können und ihr mit dem Trost dienen, der gebraucht wird. Barclay gibt zu diesem Thema ein Beispiel aus dem Leben Jesu und liefert damit zugleich eine interessante Auslegung von Lukas 10, 38-42: „Als Jesus die beiden Frauen in ihrem Haus aufsuchte, waren es nur noch wenige Tage bis zu seinem Kreuzestod und es ging ihm bei seinem Besuch lediglich um eine kurze Zeit der Ruhe und Entspannung. Er wollte innerlich ruhig werden. Da Martha Jesus liebte und in ihm den Ehrengast sah, dem man das Beste vorsetzen mußte, was Haus und Keller boten, rannte sie geschäftig hin und her und klapperte mit Töpfen und Geschirr – eine Qual für die angespannten Nerven Jesu, der sich nach Stille sehnte. Obwohl Martha es gut meinte, hätte sie kaum etwas Schlimmeres tun können. Maria dagegen hatte begriffen, dass Jesus sich nach innerem Frieden sehnte. Wie oft müssen andere es hinnehmen und sich damit abfinden, dass wir ihnen Freundlichkeiten erweisen, die sie gar nicht als solche empfinden! Wenn wir uns dagegen stets in die Lage des anderen zu versetzen bemühten, wären unsere Freundlichkeiten doppelt wirksam, und manche unbeabsichtigte Unfreundlichkeit unterbliebe.“
Wenn Barmherzigkeit damit verbunden ist, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, quasi in seine Haut zu schlüpfen, dann stellt euch einmal vor, wie barmherzig Gott gewesen ist: Er wurde Mensch; er schlüpfte in unsere Haut.

(Lehrrede auf dem Berg; Matthäus 5 ff; auch: Bergpredigt)

Mittwoch, 27. Januar 2010

Lehrrede auf dem Berg XV

Kleb ihm eine

„Wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die linke hin.“ Wie soll das gehen, dieses auf die rechte Wange schlagen? War Jesus linkshändig? Im Normalfall schlägt ein Rechtshänder einem unbotmäßigen Gegenüber auf die linke Wange. Wollen Sie das mal (vorsichtig) ausprobieren? Auf die "rechte Wange schlagen" geht nur, wenn man den Handrücken der rechten Hand benutzt.
Im Talmudtraktat über Körperverletzungen heißt es: „Wenn jemand seinem Nachbarn eine Ohrfeige gibt ... so zahlt er ihm vor dem Richter 200 Sus als Wiedergutmachung ... geschah es aber mit verkehrter Hand, also mit dem Handrücken, so zahlt er ihm 400 Sus" – das Doppelte. Warum? Der Talmud erklärt: der Schlag mit dem Handrücken schmerzt zwar weniger, gilt aber als Geste der Verachtung, die zwiefach bloßstellt und blamiert. Es geht also um eine Beleidigung, die dir zugefügt wird. Und es ist für den Frieden in einer Gesellschaft oder in einer Gruppe wichtig, nicht zu schnell beleidigt zu sein.

Mit der vielfach im Hinblick auf diese Bibelstelle verbundene Vorstellung eines pazifistischen Christentums hat das nicht viel zu tun.

(Lehrrede auf dem Berg; Matthäus 5 ff; auch: Bergpredigt)

Sonntag, 24. Januar 2010

Lehrrede auf dem Berg XIV

Mann, o Mann

Männer haben es schwer, singt der Sänger. Sogar in der Bergpredigt haben es Männer schwer. Sie haben es sogar noch schwerer als „die Reichen“. „Jeder, der eine Frau begehrlich anblickt, hat in seinem Herzen schon die Ehe mit ihr gebrochen“. (Mt. 5,28).
Was ist gemeint? Das Wort „Frau“ heißt im Hebräischen Ischah. Das ist kein Sammelbegriff für alle weiblichen Wesen, sondern eine Bezeichnung für eine verheiratete Frau, die an ihrer Haube oder ihrem Schleier erkennbar war. Abgeleitet wird dieses „Verschleiern“ aus Gen. 24, 65: Rebekka verhüllte sich mit einem Schleier, als Isaak, ihr zukünftiger Gatte, ihr entgegenkommt.
Jeder Junggeselle in Judäa konnte also wissen, welche der Schönen noch zu haben, und welche schon vergeben war. Wer eine verschleierte ischa begehrlich ansieht, der hat schon die Ehe gebrochen. Ein Junggeselle, der eine Jungfrau nicht begehrlich ansieht, sollte eigentlich zum Psychiater gehen.
„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.“ Von deines Nächsten Tochter steht nichts da. Das gilt allerdings, wie gesagt, nur für Junggesellen, setzen wir Männer noch schnell hinzu und erröten leise.

(Lehrrede auf dem Berg; Matthäus 5 ff; auch: Bergpredigt)


Samstag, 23. Januar 2010

Mystiker-Zitat der Woche

Kein Mensch ist in seiner Frömmigkeitsübung dermaßen klein, dass, wenn er es beabsichtigt und es von Grund auf will und begehrt, nämlich ein ganz großer Liebhaber Gottes zu sein, und bleibt er dabei und liebt er es in allen, die es bereits haben, und hält er sich denn ausschließlich und ohne dazwischentretende Hemmnisse daran und zielt er auf Gott ab in all seinem Tun: des seid versichert, es wird ihm auch zuteil werden, und wäre es erst in seiner Todesstunde.

Tauler

Donnerstag, 21. Januar 2010

Lehrrede auf dem Berg XIII

Stern definiert das Reich Gottes so: „Es steht weder für einen Ort noch für eine Zeit, sondern für einen Zustand, in dem die Herrschaft Gottes von allen Menschen anerkannt ist, einen Zustand, in dem Gottes Verheißung eines wiederhergestellten Universums, frei von Sünde und Tod, erfüllt ist oder erfüllt wird“.
In Lukas 11, 20 sagt Jesus: „ Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Und in Lukas 10, 9: „... heilt die Kranken ... und sagt zu ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“ Das Reich Gottes ist da, wo Menschen sind, die an Christus glauben und in seinem Namen handeln. Das Reich Gottes ist einerseits schon da („dort wo die Verheißung erfüllt wird“ und dort, wo in Jesu Namen gehandelt wird), andererseits muss es noch kommen. Von dem schon gegenwärtigen Reich, das jetzt schon besteht, zeichnet Jesus an dieser Stelle ein nicht unbedingt schmeichelhaftes Bild: Die Gläubigen, die in ihrer Gemeinschaft das Reich Gottes bilden, lassen Leute herein, die nicht hinein gehören und lassen andere, denen es viel eher zukäme, draußen.
Ich weiß, diese Sichtweise ist ungewohnt.

(Lehrrede auf dem Berg; Matthäus 5 ff; auch: Bergpredigt)

Sonntag, 17. Januar 2010

Mystiker-Zitat der Woche

Bedenkt, der Herr lädt alle ein, und sein Wort duldet keinen Zweifel, denn er ist die Wahrheit … Er hätte sagen können: „Kommt alle, denn schließlich verliert ihr dabei nichts. Und dann werde ich denen, die mir recht erscheinen, zu trinken geben.“ Doch er sagte, ohne jede Einschränkung: „allen!“ Und so bin ich überzeugt: Jeder, der auf dem Wege nicht ausfällt, wird das lebendige Wasser erlangen.

Teresa von Avila